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„Eine andere Finanzierung ist möglich“ - Göttlich stellt Pläne für Genossenschaft vor

In seiner Rede bei der Mitgliederversammlung 2023 hat FCSP-Präsident Oke Göttlich den sportlichen Erfolg des Vereins hervorgehoben, aber auch vor wirtschaftlichen Herausforderungen gewarnt. Angesichts der anstehenden Projekte treibt der Verein die Gründung einer Genossenschaft voran. Eine andere Finanzierung sei möglich, so Göttlich.

Der Präsident betonte in seiner Rede vor den Mitgliedern die Bedeutung von Sportvereinen als Orte der Begegnung hervor: „Sportvereine bringen Menschen nicht nur in Bewegung, sondern auch zusammen und fördern so den gesellschaftlichen Zusammenhalt, was angesichts einer Welt, die scheinbar aus den Fugen gerät, eine sehr wichtige Aufgabe ist.“ Der FC St. Pauli biete einen Raum, in der sich Menschen gegenseitig unterstützen, „gemeinsam die Freude am Sport erleben“ und sich für wichtige Themen einsetzten. Rund 38.000 Mitglieder habe der Verein mittlerweile, eine „überragende Zahl“, wie Göttlich sagte, „die aber auch zeigt, wie groß die Herausforderungen sind, denn von zehn Jahren hatten wir nicht einmal halb so viele Mitglieder“.

Der Präsident unterstrich, dass die Verantwortlichen somit eine sehr große Verantwortung für einen einzigartigen Verein tragen, der seiner Mitgliedschaft verpflichtet ist. Das übergeordnete Ziel sei stets das Gesamtwohl des Vereins, sagte Göttlich: „Wir wollen Erfolg für unseren Verein. Wir wollen allen zeigen, dass nicht nur ein anderer Fußball möglich ist, sondern dass dieser andere Fußball auch noch ein Erfolgsmodell darstellt. Wir sind politisch klar und sportlich erfolgreich. Wir engagieren uns für das Viertel und agieren nachhaltig, sind gleichzeitig aber ambitioniert und ehrgeizig. Denn sportlicher Erfolg hilft uns, für unseren Fußball zu werben, um anderen von unserem Weg zu überzeugen, unseren Ideen und Initiativen Öffentlichkeit und Reichweite zu verschaffen. Der Profi-Fußball ist die Bühne, auf der wir die Themen bringen können, die uns wichtig sind – und zugleich ist der Fußball unser Zugpferd sowie ein fantastischer Sport, der uns in den vergangenen Monaten viele Lichtblicke in eher dunklen Zeiten gespendet hat.“

Göttlich dankte Andreas Bornemann als Sportchef, „der einen Plan zum Aufbau eines starken sportlichen Gefüges konsequent umgesetzt hat – und dabei auch noch Transfereinnahmen erwirtschaftet hat“, sowie Fabian Hürzeler und dem Trainerstab sowie dem gesamten Staff und den Spielern. Auch die Entwicklung im Nachwuchsleistungszentrum lobte Göttlich als mutig. Zudem soll das NLZ bessere Möglichkeiten bekommen – durch den Ausbau des Trainingsgeländes an der Kollaustraße. Dafür brauche der Verein aber Geld, sagte Göttlich. Allerdings sei die wirtschaftliche Lage schwierig. Dem FC St. Pauli sei es nach den Turbulenzen der Corona-Jahre noch nicht gelungen, wieder zur alten wirtschaftlichen Stärke zurückzufinden. Trotz Rekordumsatzerlösen von fast 62 Millionen Euro im Konzern verzeichnete der Konzern einen Jahresfehlbetrag von fast fünf Millionen Euro.

Genossenschaft geplant

Wirtschaftliche Stärke erreiche der FC St. Pauli aber nur durch den Aufbau von Eigenkapital. Daher habe der Verein „eine Idee aus der Mitgliedschaft wiederbelebt und in den vergangenen Monaten geprüft, diskutiert und vorangetrieben“, erklärte der FCSP-Präsident. „Es geht um ein Finanzierungsmodell, das zum FC St. Pauli passt, das auf Teilhabe basiert. Man wolle im ersten Halbjahr 2024 die Voraussetzungen geschaffen haben, eine Genossenschaft für den FC St. Pauli zu gründen, so Göttlich. "Wir haben den Mut, diesen Schritt zu gehen, aus uns heraus eine eigene Finanzierung auf die Beine zu stellen.“

Hier gibt es einen Newsletter zum Fortschritt bei der Genossenschaft!

Der Präsident ging im Folgenden auf die Fortschritte bei der Verhandlung über einen Tarifvertrag, schilderte aber auch die Herausforderungen angesichts der sehr unterschiedlichen Aufgabenfelder im Verein und Unternehmen. Göttlich betonte aber auch, welche Verbesserungen für die Mitarbeitenden in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat umgesetzt und erreicht worden seien.

Appell zur Mitverantwortung

Göttlich appellierte zudem an alle Mitglieder und Fans, Mitverantwortung für das Stadionerlebnis am Millerntor zu übernehmen: „Die DFB-Strafen durch Pyro-Technik brennen uns ein noch größeres Loch in den Etat. Wir versuchen wirklich, mit allen Beteiligten Lösungen zu finden, Kompromisse, wir suchen nach neuen Wegen. Aber letztendlich sind es die Vereine, die immense Strafzahlungen leisten müssen für etwas, was sie nicht verhindern können.“

Auch zu gewalttätigen Vorfällen nahm Göttlich Stellung und rief dazu auf, dass sich alle hinterfragen und reflektieren müssten – und versuchen, zu deeskalieren. „Wir wollen gerade nicht, dass unser Stadion immer mehr Fangnetzte und höhere Zäune benötigt. Am Ende verlieren alle, wenn Stadien zu Hochsicherheitskomplexen werden. Genau das wollen wir nicht. Aber wir sind darauf angewiesen, dass auch Fans sich selbst regulieren – und auch die Polizei muss natürlich verhältnismäßig agieren.“ Göttlich erteilte der Forderung, die Vereine sollten die Polizeieinsätze bezahlen, eine klare Abfuhr: Das „löst kein einziges Problem, aber schafft zehn neue“.

„Unser Stadion soll ein Ort sein, an dem sich alle Menschen sicher und wohl fühlen können. Achtet aufeinander, übernehmt Mitverantwortung. Es heißt immer, St. Pauli sei so tolerant. Das stimmt in vielen Fällen, aber wir sind nicht tolerant gegen Intoleranz und übergriffiges Verhalten. Dafür darf kein Platz in unserem Stadion sein“, betonte Göttlich.

Fortschritte bei Nachhaltigkeit

Einen weiteren Schwerpunkt legte der FCSP-Präsident auf das Thema Nachhaltigkeit: So sei die Zusammenarbeit mit Betroffenen als Fachleute ein zentrales Element bei der Erstellung des Suchtpräventionskonzepts, das gemeinsam mit den Weiß Braunen Kaffeetrinker*innen sowie Expert*innen der Jugendsuchthilfe entwickelt worden sei, führte Göttlich aus. Auch die Veröffentlichung einer eigenen Homepage in Leichter Sprache gehöre zu den Erfolgen der vergangenen Monate.

Ein Meilenstein sei auch die Einführung einer Stadionwurst aus biologischem Anbau im ganzen Stadion – und dies sowohl vegan als auch aus Fleisch. Hier zeige sich, „wie stark Nachhaltigkeit und Vermarktung zusammen funktionieren, denn mit unseren Partnern wie congstar, Lichtblick, Followfood und Edeka können wir diese und hoffentlich noch viele weitere große Vorhaben umsetzen“, sagte Göttlich.

Bei all den verschiedenen Aktivitäten und Projekten orientierte man sich immer an klaren Werten wie Humanität, Offenheit und Verantwortungsbewusstsein. „Wir sind ein Verein mit Haltungen, der auch Konflikte aushalten muss. Die wir aushalten können“, sagte Göttlich. „Aber wir erwarten, dass wir miteinander statt übereinander sprechen – und Offenheit für Argumente.“ Der Präsident dankte allen Menschen, die sich im und für den Verein engagieren: „Ihr übernehmt Mitverantwortung für andere, für den FC St. Pauli“, schloss Göttlich seine Rede, „und darauf können wir aufbauen und den Verein gemeinsam auch durch schwierige Zeiten bringen“.

"Verschiedene Ursachen für das Minus"

Wilken Engelbracht erläuterte im Anschluss, welche Ursachen zu dem Minus im abgelaufenen Geschäftsjahr führten. Wichtig sei, dass es nicht einen Hauptgrund, sondern diverse Ursachen gegeben habe, betonte Engelbracht. So habe die Auslagerung der Logistik und Warenwirtschaft des Merchandisings signifikant zu der negativen Ergebnisentwicklung beigetragen.

Auf Grund der WM in Katar und der sportlichen Situation im Winter 2022 musste der FC St. Pauli zudem deutliche Ertragsausfälle im Merchandising hinnehmen. Zusammen mit diversen Sondereffekten sei aus einem geplanten Jahresüberschuss ein Verlust im Merchandising in Höhe von 1,6 Millionen Euro geworden.

Engelbracht unterstrich, es sei richtig, möglichst „nachhaltig und fair“ produzierte Ware im Merchandising zu verwenden - dies führe aber auch zu etwa zehn bis 15 Prozent höherem Warenaufwand als bei anderen Vereinen.

Der kaufmännische Leiter des FC St. Pauli führte weitere Gründe für das Minus an: “Die Kostendisziplin nach Corona ist in einigen Bereichen zu sehr aus dem Blick geraten, weshalb die Personalkosten in der Verwaltung um etwa 1,8 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen sind.” Allerdings seien die Zahlen nicht einfach zu vergleichen, da es im Geschäftsjahr 2021/22 noch Corona-bedingte Einschränkungen gegeben habe. “Ein eindeutiger externer Effekt ist die Steigerung der Energiekosten um rund 400.000 Euro gewesen, der nicht zu erwarten gewesen war”, erläuterte Engelbracht.

Das Resultat dieser Entwicklung: "Das Eigenkapital unseres Vereins ist erstmals seit Jahren wieder negativ." Auch im Konzern habe sich das Eigenkapital zum 30.06.23 auf nur noch 3,2 Millionen Euro verringert.

Abschließend betonte Engelbracht aber noch, dass es kein Ertragsproblem beim FC St. Pauli gebe, sondern Ertrag und Aufwand müssten wieder in Balance gebracht werden. “Das ist mein persönlicher Anspruch und auch der Anspruch meines Teams, dieses Ziel umzusetzen.”

 

(pg)

Fotos: FC St. Pauli

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